Mit der Selbstdarstellung „Die Polizei – Dein Freund und Helfer“ versucht die Polizei seit fast einem Jahrhundert das Vertrauen der Bürger zu gewinnen. Doch dieses Bild ist fernab von der Realität. Würde man es wörtlich nehmen und dem erst besten Polizisten seine Sorgen und Probleme berichten, dann wäre wohl die erste Reaktion darauf eine Drogenkontrolle. Wenn man ihn wiederholt duzt, wird es als Beleidigung verstanden und anstatt einer freundschaftlichen Aussprache, kassiert man eine Anzeige.

Die Presse würde dieses Beispiel wohl als Verharmlosung sehen, denn häufig rechnen sie wesentlich brutaler mit diesem Selbstbild ab. „Erst schlagen, dann fragen“, „Schläger in Uniform“ und „Prügel-Polizei“ sind keine seltenen Überschriften. Opfer sind Männer, Frauen, Jugendliche, geistig Behinderte, Blinde, auch Polizisten in Zivil und sogar ganze Familien - alle ohne Vorstrafen. Der Grund dafür ist in manchen Fällen eine Beleidigung, in anderen auch nur eine schleppende Kooperation mit den Beamten. In wenigen Fällen reicht es auch, wenn man Vor- und Nachnamen der Polizisten wissen will. Die Berichte darüber sind leicht zu finden und die grausamen Details dazu können jederzeit in Zeitungen oder im Internet selbst recherchiert werden.

Nur exemplarisch ein Fall an einer Schule, in der 8.Klasse. Hier sollte eigentlich eine Präventionsveranstaltung der Polizei durchgeführt werden. Als jedoch eine Schülerin sagte, dass ihr ein 5 Euro Schein gestohlen wurde und sich der Täter daraufhin nicht freiwillig stellte, eskalierte die Situation. Verstärkung wurde gerufen und alle Anwesenden wurden durchsucht. Einer der Schüler musste sich im Nebenraum vor den Beamten ausziehen und der After wurde mit einer Taschenlampe abgeleuchtet. Ein zweiter musste die Unterhose runterziehen und sein Geschlechtsteil hochheben. Einer der beiden wollte sich weigern und wurde daraufhin mit einer Anzeige bedroht, weswegen er klein beigab. Die Lehrer, welche für den Schutz der Schüler verantwortlich gewesen wären, fühlten sich von der Situation überrumpelt und griffen nicht ein.
Der 5 Euro Schein wurde natürlich gefunden - mehrfach - und zwar nicht in Aftern, sondern in den Geldbeuteln der Schüler. Ob einer davon der Gestohlene war, konnte natürlich nicht festgestellt werden.
Gegen die Polizisten wurde daraufhin eine Untersuchung eingeleitet, weil ihr Verhalten unverhältnismäßig war. Doch 8 Monate später wurde das Verfahren wegen Nötigung eingestellt. Ein weiteres Verfahren gab es nicht, weil die Eltern keinen Strafantrag wegen „Beleidigung auf sexueller Basis“ gestellt hatten.


Solche Beispiele sind immer wieder in Zeitungen zu finden, also findet zweifellos ein Machtmissbrauch durch Polizisten statt. Doch sind diese Übergriffe nur Einzelfälle oder ist hier ein generelles Problem zu sehen? Mit Statistiken lässt sich das nur schwer sagen, da die Dunkelziffer zu schwer abzuschätzen ist.

Diese Dunkelziffer setzt sich in milderen Fällen zunächst einmal aus Übertretungen zusammen, bei denen aus Unwissenheit keine Anzeige erstattet wurde. Denn kaum jemand weiß, wie weit die Rechte eines Polizisten reichen oder wo sie aufhören. Und Unwissenden kann man alles glaubhaft machen.

Zur Aufklärung: In erster Linie darf von einem unbescholtenen Bürger nur jederzeit der Ausweis kontrolliert werden. Es besteht zwar keine Mitführpflicht in Deutschland, aber er wird zur Identitätsfeststellung benötigt. Hat man ihn also nicht dabei, wird man entweder zu dem Ort begleitet, wo der Ausweis liegt oder man wird zur Identitätsfeststellung auf die Wache mitgenommen.

Eine Durchsuchung von Kleidung und mitgeführten Taschen, darf eigentlich nur erfolgen, wenn es sich um ein für die Polizei speziell ausgewiesenes Gebiet handelt, wie ein Drogenumschlagplatz oder auch in der Umgebung von Bahnhöfen für den Fernverkehr. Diese Orte sind für den Normalbürger in keiner Weise gekennzeichnet, worauf aber keine Rücksicht genommen wird. Ansonsten gibt es natürlich Kontrollen, sollte ein begründeter Verdacht der Polizei bestehen, dass man etwas Illegales bei sich trägt. Dieser wäre gegeben, wenn Polizisten gerade einen Drogenhandel mit angesehen hätten. Aber auch wenn man sich nicht ausweisen kann und somit ein gefährlicher Straftäter sein könnte, ist eine Durchsuchung nach Waffen oftmals gerechtfertigt.
Ist man mit dem Auto unterwegs, ergibt sich allein daraus natürlich kein Verdacht und es darf wie bei einem Fußgänger die Identität festgestellt werden. Einzig die Überprüfung von Führerschein, Zulassung, Verbandszeug und Warndreieck sind hier zusätzlich vorgesehen. Doch hat man diese vorne auf dem Fahrersitz und kann sie vorzeigen, ist es der Polizei nicht erlaubt in den Kofferraum zu sehen. Man muss auch nicht „blasen“ oder sich in die Augen leuchten lassen, nicht auf einem Strich gehen oder den Polizisten anhauchen, wenn es dafür keinen Grund gibt.

Doch egal ob im Auto oder zu Fuß, sollte ein Polizist irgendetwas über seine Befugnisse verlangen, muss man ihm widersprechen. Nur dann handelt er eindeutig gegen das Gesetz, falls er den Eingriff doch vornimmt. Einzig für einschlägig Vorbestrafte gelten nochmals verschärftere Regeln.


Aber weg von der Theorie und hin zu einem Realitätsabgleich. Wirst du als Fußgänger von Polizisten aufgehalten, dann siehst du irgendwie anders aus oder benimmst dich anders als der Rest und wirkst damit „verdächtig“. Somit ist auch von vornherein die Absicht da dich zu durchsuchen. Zunächst wirst du von einem der Polizisten angesprochen und nach deinem Ausweis gefragt. Sobald er ihn hat kommen Fragen, ob du schon einmal mit der Polizei zu tun hattest, wo du wohnst und wohin du gerade unterwegs bist, bzw. von wo du kommst.
Da du ja verdächtig gewirkt hast, kommen weitere Fragen und es kann sich folgendes Gespräch entwickeln:
Haben Sie illegale Drogen dabei? – Nein, habe ich nicht.
Haben Sie heute Drogen genommen? – Nein, ich halte generell nichts von Drogen.
Haben Sie irgendwann schon einmal Drogen genommen? – Nein.
Haben Sie schon irgendwann einmal gesehen, wie jemand Drogen zu sich genommen hat?

Diese letzte Frage ist nicht etwa da, um tatsächlich einen strafbaren Sachverhalt aufzuklären, sondern dient lediglich deiner Verunsicherung. Denn normalerweise hast du schon mal in deinem Leben gesehen, wie jemand Drogen genommen hat und hast es nicht angezeigt. Wenn du also die Frage bejahst, glaubst du eine gewisse Schuld zu haben, wenn du sie verneinst, hast du das Gefühl etwas zu verbergen.

Da der Polizist dieses oder ein ähnliches Verunsicherungsschema täglich mehrfach durchführt, merkt er natürlich jedes Zögern und Nachdenken, daher gleich nochmal die Frage:
Sind Sie sich sicher, dass sie keine Drogen oder gefährliche Gegenstände dabei haben?
– Ich glaube schon, allerdings weiß ich nicht, was gefährliche Gegenstände sein sollen.
Irgendwelche spitzen Gegenstände, zum Beispiel Spritzen, in die ich rein fassen könnte, wenn ich Sie durchsuche.
– Nein, so etwas habe ich nicht dabei.
Gut dann werde ich Sie jetzt abtasten.

Jetzt müsstest du eigentlich klar sagen, dass du das nicht willst, denn nur dann ist es einem Polizisten explizit untersagt einen Bürger zu durchsuchen. Da du dich durch die vorherigen Fragen und die Ansage des Polizisten allerdings ziemlich überrumpelt fühlst, machst du das nicht. Denn dir ist ohnehin nicht klar, dass du dabei überhaupt ein Mitspracherecht hast.

An und für sich ist die Situation noch nicht so schlimm, du musst dir aber vor Augen führen, dass das jederzeit passieren kann, auch in ungünstigen Momenten, in denen du eigentlich einen Termin hast oder einen Zug erreichen musst. Das Ganze kann durchaus 15 bis 45 Minuten in Anspruch nehmen, je nachdem ob du Gepäck bei dir trägst oder nicht.

Doch um keine Probleme zu bekommen, wirst du genau wie die meisten anderen Menschen kooperieren, selbst wenn der Polizist einen forschen Ton anwendet. Solltest du dich querstellen, wird der Polizist ein anderes Verunsicherungsschema auspacken und wenn du unfreundlich wirst und vielleicht sogar leicht handgreiflich, kommst du mit auf die Wache. Daher wirst du, während deine persönlichen Habseligkeiten durchsucht werden, gute Mine zum bösen Spiel machen.
Dabei wird alles einzeln begutachtet und du musst über die Benutzung auch noch Erklärungen abgeben. Denn Dinge, die in den Augen der Polizisten merkwürdig sind, werden kommentiert und gefragt:
Wieso haben Sie so viele Rechnungen in ihrem Geldbeutel?
- Ich lasse mir nach dem Einkaufen immer die Rechnungen geben und sortiere sie dann nicht aus. - Aha.
Wieso haben Sie ein blutiges Taschentuch in ihrem Rucksack?
- Ich hatte vor ein paar Tagen Nasenbluten und habe es noch nicht weggeworfen.
Ja das sollten Sie mal machen, werfen Sie es am besten gleich weg. Es ist insgesamt sehr unordentlich in ihrem Rucksack.
Da sind 350 Euro in ihrem Rucksack, das ist ganz schön viel Geld. Warum sind die nicht in ihrem Geldbeutel? Wollten Sie damit Drogen kaufen?
- Das ist mein Unterhalt, den mir meine Eltern gegeben haben. Ich weiß nicht mehr warum ich es in die Tasche getan habe. - Aha.

Die Situation ist, wie man vermutlich herauslesen kann, authentisch und mir selbst so passiert. Ich saß nach einem langen Praktikumstag erschöpft auf einer Bank in einer U-Bahn Station und war auf dem Heimweg, wie viele andere Studenten auch. Die Tatsache, dass ich erschöpft dasaß, hat wohl ausgereicht, um als merkwürdig genug angesehen zu werden, denn nichts an mir deutet irgendwie darauf hin, dass ich Drogen nehmen könnte und natürlich wurde auch nichts gefunden. Aber während dieser ganzen Zeit wollte ich nur nach Hause und hätte ich mehr über meine Rechte gewusst, wäre das wohl auch möglich gewesen.

Eine ähnliche Situation kann man sich in diesem Video ansehen. Link Eine ausnahmsweise echte Reportage über Polizeiarbeit auf Sat1, bei der ein Junge mit dem flapsigem Kommentar untersucht wird, dass er doch mal seine Taschen leer machen soll, solange der andere Polizist die Personalien mit der Zentrale abgleicht.
Auch wenn er im Endeffekt fündig wird, gab es keinen hinreichenden Verdacht eine Durchsuchung an dem Jungen durchzuführen. Sämtliche Indizien und die Sache mit den Sozialstunden erfährt der Polizist erst im Nachhinein.

Eine Durchsuchung muss aber nicht bei einer Taschenkontrolle enden. Sollte der Polizist vermuten, dass du Drogen schmuggelst, dann kann es auch passieren, dass du im Intim- und Rektalbereich untersucht wirst. Eigentlich kann das nur auf der Wache von einem dir fremden Arzt der Polizei durchgeführt werden, was an sich schon entwürdigend genug ist. Doch wenn du keine 3 Stunden damit verbringen willst/kannst auf die Wache zu fahren und dort auf den Arzt zu warten, wirst du durchaus vor die Wahl gestellt, ob du das gleich in einer dunklen Ecke erledigen willst.

Auch hier ist es wieder wichtig zu sagen, dass du es nicht willst - am besten natürlich mit einer schlüssigen Begründung und der korrekten Drohung welche Art von rechtlichen Schritten du einleiten wirst, falls der Polizist doch weitermacht. Aber woher soll dieses Wissen kommen? Du hast es nicht in der Schule gelernt und es gibt auch sonst keine von öffentlicher Hand gestützten Kurse. Wer sich nicht gerade in einer bestimmten Szene bewegt oder sich intensiv damit auseinandersetzt, der wird seine genauen Rechte auch nie kennen. Somit hat ein Polizist leichtes Spiel bestimmte Grenzen zu überschreiten. Solltest du im Nachhinein doch Anzeige erstatten, scheitert das normalerweise, da du schließlich alles freiwillig mit dir hast machen lassen und somit kein Grund bestand, die Maßnahmen nicht durchzuführen.


Doch was sollte die Motivation eines Polizisten sein jemanden zu durchsuchen und die Gesetzeslage auszudehnen? Die einfache Antwort ist, nur wenn er jemanden durchsucht kann er etwas Verbotenes finden. Und je mehr Dinge er findet umso wahrscheinlicher ist die nächste Beförderung. Es werden alle paar Jahre Leistungsbeurteilungen durchgeführt, wobei nur diejenigen, die sich ausgezeichnet haben, auf einen Aufstieg hoffen können. Es ist also zum Vorteil des Polizisten, wenn er die Gesetzeslage ausdehnt.

Neben dem sachlichen Nutzen besteht natürlich auch ein instinktiver für den Polizisten, es geht dabei um reine Macht. Jeder Mensch trägt den Wunsch in sich Macht über andere Menschen auszuüben und Polizisten machen da keine Ausnahme. Daher gibt es ihnen eine gewisse Genugtuung andere zu verunsichern und zu dominieren. In einem bestimmten Rahmen wäre das auch unproblematisch, nur wird, wie einige Fälle zeigen, dieser Rahmen weit gesprengt.
Das liegt daran, dass das Hauptaugenmerk in der Ausbildung nicht auf dem Umgang mit dieser Macht liegt, sondern auf der Körperkraft. Eigentlich müssen Streifenpolizisten zu einem großen Teil Sozialarbeiter sein, die schlichten und mit ihrer Ruhe und Besonnenheit Konflikte auflösen können. Natürlich wird auch so etwas beigebracht, aber die eigentliche Hürde um Polizist zu werden ist der Sporttest.

Doch selbst wenn die Ausbildung sich verbessert, löst das noch nicht das Problem. Deutlich wird das, soblad man eine andere Bevölkerungsgruppe betrachtet, die ähnliche Macht ausübt: Lehrer. Es handelt sich dabei um pädagogisch stark geschultes Personal, welches Stück für Stück lernt auf Augenhöhe mit einem Kind zu kommunizieren, ihm Dinge beizubringen und seinen Charakter zu formen. Doch die Kinder wissen kaum etwas von ihren Rechten gegenüber dem Lehrer und an den Eltern geht das Meiste vorbei. Daher nutzen auch diese stark geschulten Pädagogen ihre Macht aus.
Oder wer hatte in seiner Schullaufbahn keinen Lehrer, vor dem alle Angst hatten, oder einen der Schülern, die er nicht gemocht hat, schlechte Noten gegeben hat?

Machtmissbrauch und Unwissenheit der Menschen gehen Hand in Hand. Denn Unkenntnis führt zu Passivität und gerade von so genannten Autoritätspersonen, lässt man sich leicht einschüchtern. Das ist eine wichtige Kernproblematik, von der auch die Lehrer der 8. Klasse in dem Beispiel am Anfang des Textes betroffen waren.


Geht man zu den Zeitungsartikeln zurück, berichten sie aber von härteren Fällen, in denen es zu Knochenbrüchen, Prellungen usw. gekommen ist, welcher der zweite Teil der Dunkelziffer ist. Hat man zu Unrecht Verletzungen erlitten, will man selbstverständlich Anzeige erstatten, Unwissenheit spielt hier keine Rolle. Doch dank anderer Faktoren ist das wesentlich schwerer als es sein sollte und wird zu einer Farce bei der man selbst noch als Täter dargestellt wird.

Diejenigen die nach einer Anzeige ermitteln sind entweder normale Polizisten aus dem nächstgelegenen Revier oder sie gehören zur internen Ermittlung und waren zumindest einmal Streifenpolizisten. Die interne Ermittlung befindet sich oftmals mit der sonstigen Polizei in einem Gebäude. Ob hier genug durchgegriffen wird und die Ermittler tatsächlich die benachbarten Kollegen in ein unangenehmes Kreuzverhör verwickeln, wie es gerne in Krimi-Serien dargestellt wird, ist fraglich. Gerade wenn man betrachtet, dass es bei 97% der Anzeigen gegen Polizisten zu keiner Anklage kommt. Es fehlen also die nötigen Beweise bereits im Vorfeld.

Genauso sind selbstverständlich die Staatsanwälte mit der Polizei verflochten. Nur durch die direkte Zusammenarbeit von Staatsanwaltschaft und Polizei können erfolgreich Verbrecher überführt werden. Man kennt sich daher auch und ein Staatsanwalt kann nicht unbedingt unbefangen ermitteln.

Ein weiterer Punkt bei der Anzeige von Polizeigewalt, der wohl am schwersten wiegt, sind die Zeugen. Da es Polizisten erlaubt ist andere Menschen von einer Gruppe zu trennen, können sie ab diesem Moment tun was immer sie wollen, solange ihre Kollegen sie decken. Selbstjustiz, wenn der Festgenommene zuvor einen Kollegen verletzt hat, ist dann straffrei möglich. Die Zeugen davon sind dann alle Polizisten, die natürlich bestätigen, dass der Mann sich gewehrt hat und daher die Maßnahmen notwendig waren.
Deswegen erfolgt auf eine Anzeige gegen die Polizei auch fast immer eine Gegenanzeige des Polizisten wegen Körperverletzung. Denn nur dann kann er glaubhaft begründen, warum bestimmte Gewaltanwendungen nötig waren. Auch hier steht der Staatsanwalt wieder vor dem Problem, wem er mehr glauben soll. Dem vermeintlichem Opfer oder dem Täter und seinen Kollegen, welche als Zeugen aussagen. Sollte er Anklage erheben, ist die Wahrscheinlichkeit einer Verurteilung durch einen Richter gering und der Ermittlungsaufwand sehr groß.

Diese drei Faktoren bieten einen Erklärungsansatz, warum in 97% der Fälle die Anklage gegen Polizisten fallengelassen wird.

Eine andere Erklärung, welche die Polizei entlastet, wäre natürlich, wenn Bürger von ihren Rechten wüssten und ständig unnötige Anzeigen gegen Polizeibeamte starten. Aber das würde ja ein Wissen, was nicht vorhanden ist, voraussetzen. Oder wenn zum Beispiel linke Randalierer immer die Bullen anzeigen, von denen sie festgenommen werden und ihnen willkürlich Dinge unterschieben, nur um ihnen zu schaden. Aber das wäre wohl wirklich ein Eigentor, da es eben nicht zur Verurteilung von Polizisten kommt, sehr wohl aber die Gegenanzeigen durch Polizisten Erfolg haben können. Und die Linke-Szene ist durchaus darüber unterrichtet, da sie häufig mit der Polizei in Konflikt gerät.



Doch warum sagen Polizisten überhaupt füreinander aus, anstatt die Wahrheit zu sagen?

Polizisten bilden eine abgeschlossene Gemeinschaft, sie sind also in gewisser Weise vom Rest der Bevölkerung isoliert und aneinander gebunden.

Ein Grund dafür sind die wesentlich härteren Gesetze, denen sie unterliegen und welche sie wenig vertrauenswürdig für die restliche Bevölkerung machen. Da die Gesetzeslage schwer zu überblicken ist und viel Unsinn zu diesem Thema im Umlauf ist, sind hier die zugehörigen Urteile und Paragraphen mit angegeben.
Betrachtet man zunächst das Strafgesetzbuch und das Urteil des BGH 5 StR 294/5 (1953) und des BGH 4 StR 358/92 (1992) müssen Polizisten im Gegensatz zu Normalbürgern Verbrechen und schwere Vergehen anzeigen, auch wenn sie nur privat davon gehört haben. Wenn es sich um ein Dauerdelikt handelt, was also auch zukünftig immer wieder passieren wird, gilt ebenfalls eine Anzeigepflicht. So muss ein Polizist, wenn er in seiner Freizeit von dauerhaftem Handel mit harten Drogen hört eine Anzeige machen. Allerdings muss im Einzelfall durch Gerichte abgewägt werden, ob damit seine Persönlichkeitsrechte nicht zu sehr eingeschränkt werden, gerade wenn er Freunde oder Familienmitglieder damit belasten müsste. Wägt es zu seinem Nachteil ab, wird er wegen Unterlassens nach § 13 StGB verurteilt oder auch wegen Strafvereitelung nach § 258a StGB.
Zum Vergleich: Ein Normalbürger muss noch nicht einmal Anzeige erstatten, wenn er von einem Mord erfahren hat. Nur wenn er von schwerwiegenderen Verbrechen hört, die in Zukunft passieren sollen, wie im geringsten Fall etwa Brandstiftung oder gefährlicher Eingriff in den Straßenverkehr gemäß §138 StGB, hat er eine Anzeigepflicht.

Diese Einschränkungen wären aber noch nicht weitreichend genug, um eine Abgrenzung vom Rest der Gesellschaft zu begründen. Es gibt noch das Landes- und Bundesdisziplinargesetz, das eigentlich für jeden Beamten gilt, aber besonders für Polizeibeamte. Danach ist ein Verhalten des Beamten außerhalb seines Dienstes ein Dienstvergehen, wenn es das Ansehen des Amtes besonders herabsetzt. Diese Aussage ist leider sehr ungenau und wird nicht näher definiert. Aber auf dieser Grundlage, kann der Vorgesetzte einen Verweis verhängen, der zwar nicht zu einer Gefängnisstrafe führt, aber Geldbußen, Degradierung und in letzter Instanz auch die Entlassung beinhalten kann.
Kommt es zu Streitigkeiten darüber, werden diese von Disziplinargerichten verhandelt.
Urteile werden zum Beispiel bei Betäubungsmitteldelikten gefällt, die Polizisten begehen. Da sie eine Vorbildfunktion haben, werden sie in diesem Bereich besonders hart bestraft. Schon bei regelmäßigem Cannabiskonsum können sie daher des Dienstes enthoben werden. (VG Magdeburg, 12.06.2012 – 8 B 5/12)
In einem anderen Fall, VGH Baden-Württemberg DL 16 S 2597/09 (2010), wurde ein Polizist entlassen, weil sein Sohn bereits dreimal in seinem Auto Cannabis geschmuggelt hatte, während er es gefahren hatte. Erst bei der dritten Fahrt erkannte der Vater dies, zeigte seinen Sohn aber nicht an um ihn zu schützen und fuhr hier ein letztes Mal die Drogen an den Bestimmungsort. Strafrechtlich wurde er daher rechtskräftig zu 9 Monaten auf Bewährung wegen Beihilfe verurteilt und im anschließenden dienstrechtlichen Verfahren entlassen.

Abgesehen davon gibt es noch missbilligende Äußerungen des Vorgesetzten, also Zurechtweisungen oder Rügen, die einen Eintrag in die Personalakte zur Folge haben, welche Auswirkungen auf die Beförderung haben können. Diese können vom Dienstherrn schon bei Kleinigkeiten verhängt werden und müssen erst bei eingelegtem Widerspruch von Verwaltungsgerichten entschieden werden. Ein Beispiel wäre das Urteil vom VG Koblenz 6 K 582/08.KO, in dem es um einen eskalierenden Streit mit starken Beschimpfungen und einem zerbrochenem Fenster zwischen einem Polizisten und seinem Nachbarn ging. Da von einem Polizisten auch privat zu erwarten ist, dass er sich auch bei Provokationen besonnen zu verhalten habe, wurde der Eintrag in seine Akte für rechtens erachtet.

Sollte ein Polizist außerhalb seiner Dienstzeit zu sehen bekommen, dass jemand Drogen nimmt oder hört dass er welche zu sich nehmen will, muss er noch keine Anzeige erstatten. Genauso wenig wie bei Vergehen gegen das Urheberrecht, aufgrund illegaler Uploads. Befindet er sich allerdings auf einer Feier, auf der sichtbar illegale Drogen konsumiert werden und Kollegen kommen zu einer Kontrolle, könnte das durchaus Konsequenzen haben. Zumindest können die Kollegen die Anwesenheit des Polizisten dokumentieren, wenn ihnen der Umgang ihres Kameraden missfällt. Da die Gesetzeslage sehr schwammig ist, wäre es also sicherer für einen Polizisten auch privat nicht auf solche Veranstaltungen zu gehen.

Das zweite Problem im Bereich der Gesetze sind Fehler die von Polizisten begangen werden. Denn im Gegensatz zu anderen Berufsgruppen ist ein fehlerhaftes Durchführen der Arbeit nicht einfach nur ein Fehler, sondern ein Verstoß gegen das Strafgesetzbuch. Eine widerrechtliche Durchsuchung des Intimbereichs kann durchaus als schwere Körperverletzung oder auch Vergewaltigung vor Gericht gehen. Sobald Polizisten eine Strafe von mehr als 12 Monaten erhalten, müssen sie aus dem Dienst, bzw. aus ihrer Gemeinschaft, ausscheiden. Selbst wenn nur ein Verfahren gegen sie läuft, können sie in dieser Zeit nicht befördert werden.

Daher helfen sich die Kollegen gegenseitig und machen Falschaussagen für ihre Kameraden. Wer das nicht tut, ist ein Kameradenschwein und wird nicht nur aus der Gruppe ausgeschlossen, sondern kann damit rechnen, dass die erst beste Verfehlung ebenfalls angezeigt wird.

Besonders bei Großdemonstrationen, wo sie an ihr Limit gehen, sind sie auf den hohen Zusammenhalt in der Gruppe angewiesen. In Formation, gepanzert, mit Schild und Schlagstock stehen sie immer wieder den Steine- und Brandsätze-werfenden Randalierern gegenüber. Nur wenn sie die Formation halten und ihren Kameraden vertrauen, können sie ohne schwere Verletzungen davonkommen. Solche kollektiven Erfahrungen mit Gewalt sind natürlich etwas, was die durchschnittliche Bevölkerung kaum nachempfinden kann. Es ist damit ein bisschen vergleichbar wie das Band zwischen Soldaten im Krieg, weswegen es auch als Korpsgeist bezeichnet wird.
In solchen Situationen kann es auch einmal passieren, dass die Nerven durchgehen und man übertriebene Gewalt anwendet.

Aber nicht nur der Stress bei Demonstrationen macht Polizisten zu schaffen, sie sind generell überarbeitet. Eigentlich haben sie eine 40 Stunden Woche plus Überstunden, wie viele andere Menschen auch. Nur ist in einem normalen Job der Stress nicht so groß wie bei Polizisten, bei denen an einem Tag gar nichts passieren kann und an einem Stressigen ein eskalierender Ehestreit nach dem anderem ansteht. Daher haben sie auch zwei bis dreimal so viele Krankheitstage wie andere Berufstätige, was nicht alleine durch das erhöhte Verletzungsrisiko erklärt werden kann. Begehen sie aus diesem Stress heraus Fehler, sind sie auf die Falschaussagen angewiesen.

Diese werden nicht nur geleistet, um sich selbst zu schützen, sondern ebenso weil ein Polizist seine Freunde schützen möchte. Durch den Schichtdienst und die Arbeit am Wochenende bleibt kaum die Möglichkeit außerhalb der Arbeit Kontakte zu knüpfen, wodurch sich vieles auf den Arbeitsplatz konzentriert.
Bei diesen Voraussetzungen müsste man sich wundern, wenn sich Polizisten nicht gegenseitig in Schutz nehmen, sondern immer die Wahrheit sagen.


Unabhängig davon ist es natürlich wahrscheinlich, dass Polizisten sich für ihren Beruf entschieden haben, weil sie das Gesetz achten und durchsetzen wollen. Im schlechteren Fall um andere zu dominieren und Macht auszuüben. Somit ist selbstverständlich ein Grundmisstrauen der Bevölkerung da, egal bei welchen noch so kleinen illegalen Aktivitäten. Ein Polizist hat nämlich immer die Möglichkeit sich in Dienst zu versetzen und entsprechend seines Amtes zu handeln.

Zuletzt sollte aber auch die Schuld der Bürger nicht unberücksichtigt bleiben. Es ist doch die hohe Gewaltbereitschaft gegen Polizeibeamte, die unter anderem dafür sorgt, dass sie sich abgrenzen. Damit ist nicht der Räuber gemeint, der sich bei der Festnahme wehrt oder andere Straftäter, die verhindern wollen ins Gefängnis zu kommen. Es geht um die gängigeren Aufträge der Polizei, also wenn sie bei einem Streit gerufen werden, der zu eskalieren droht, bei akuter Lärmbelästigung oder bei Großaufgeboten wie bei Fußballspielen. Die Polizisten sind hier nur vor Ort um die Situation zu beruhigen. Handgreiflichkeiten oder ein Anpöbeln der Polizei ist hier völlig fehl am Platz, da sie keinerlei Schuld an der Problematik tragen.

Im Endeffekt haben wir eine verschworene Gemeinschaft, die insgesamt dem Wohl der Gesellschaft dient und gleichzeitig wie eine kriminelle Organisation begangene Verbrechen deckt. Etwas das definitiv nicht an unserer Gesellschaft stimmt und was sich dank des Stellenabbaus bei der Polizei und der damit vergrößernden Überarbeitung verstärkt. Genauso wie sich aufgrund der negativen Berichterstattung die Ablehnung der Bevölkerung und damit die Gewaltbereitschaft gegenüber Polizisten ausweitet.