Gott ist tot, aber der Glaube ist geblieben. Denn obwohl immer mehr Menschen aus der Kirche austreten, bleiben die christliche Moral und ihre Werte bestehen. Faulheit und Eifersucht gelten nach wie vor als Sünde, wohingegen Liebe, Mitleid, Ehrlichkeit und Nachsichtigkeit als Ideale zählen. In der Schule werden schon früh die fleißigen, gehorsamen und pünktlichen Schüler, welche ein nahezu mönchartiges Verhalten an den Tag legen, gefördert und der Rest aussortiert. Körperliche Gewalt stellt eine Straftat dar, Hass und Wut werden entsprechend abgelehnt. Auch die althergebrachte Monogamie wird durch Fernsehserien in ein positives Licht gerückt und mit dem gesetzlichen Verbot der Doppelehe geschützt.
Somit hat sich seit dem Niedergang des christlichen Glaubens nicht viel an den Werten geändert. Was die Kirche als guten Menschen betrachtet, sieht der Staat als guten Bürger an.


Doch Gut und Böse und Richtig und Falsch sind vier verschiedene Dinge. Ein guter oder auch christlicher Mensch ist nur zur Hälfte vorhanden, denn auch Böses ist instinktiv im Menschen verankert. Es ist nicht möglich eine Seite komplett abzuschalten oder sie zu verteufeln. Sollte man es doch versuchen, wird man an seiner Unvollständigkeit erkranken.

Die ausschließliche Einhaltung von guten Werten ist auch nicht lebenstauglich. Ehrliche Menschen haben es nicht nur schwerer, sondern werden auch härter bestraft. Kommt man beispielsweise wegen Drogenmissbrauchs vor Gericht, sollte man sich reumütig und einsichtig geben, um eine geringe Strafe zu erhalten. Sagt man aber ehrlich heraus, dass man selbst entscheiden will, was man mit seinem Körper anstellt und dass man auch weiterhin Drogen nehmen wird, zeigt man sich nicht nur uneinsichtig für die Schwere seiner Tat, sondern kündigt auch weitere Straftaten vor Gericht an. Eine Gefängnisstrafe rückt damit in greifbare Nähe.

Fleiß gehört zu den weitverbreitetsten Werten in Deutschland. Erwachsene sowie Kinder müssen sich diesem Ideal beugen und ihre Faulheit ablegen. Denn wer nichts Sichtbares tut, der ist faul. Abzuschalten ist Faulheit, Nachzudenken ist Faulheit.
Das Produkt ist eine gut funktionierende Volkswirtschaft, mit völlig überarbeiteten Erwachsenen mit Burn-Out-Syndrom bzw. Kindern und Jugendlichen mit unausgereifter Persönlichkeit, die sich später nach Belieben ausbeuten lassen.

Ein guter Mensch zu sein, ist also nicht das Richtige. Wie sollte es auch so sein, wenn diese Vorstellung zu großen Teilen darauf aufbaut, einem Gott zu gefallen, an den immer weniger glauben.


Natürlich habe Werte ihren Ursprung nicht zwangsläufig in der Bibel, sondern sind schon weit früher zu dem Zweck entstanden, größere Gruppen von Menschen zu einem vernünftigen Zusammenleben zu verhelfen. Dabei entstehen aber nicht wenige überflüssige und behindernde Werte. Denn wie auch bei vielen Gesetzen und Normen werden sie oftmals geschaffen, um besonders waghalsige, gierige oder dumme Menschen in Zaum zu halten.
Beispielsweise weiß jeder, dass in Spielzeugen nur unbedenkliche Stoffe verarbeitet werden dürfen, da sie von Kindern in den Mund genommen werden. Trotzdem werden aus reiner Gier billige Materialien verwendet, selbst wenn die Giftigkeit bekannt ist, weswegen es gesetzliche Normen braucht.
Wenn im Kindergarten über Jahre hinweg Kinder auf einen Baum klettern ist das so lange kein Problem, bis eines mal vom Baum fällt und sich dabei ernsthaft verletzt. Vermutlich war dieses Kind nur übermütig, ist zu weit geklettert und deshalb gefallen. Trotzdem ist ab diesem Zeitpunkt der Baum für alle Kinder tabu und es darf höchstens noch unter Aufsicht geklettert werden.

Genauso verhält es sich eben auch mit Werten. Der Wert der Monogamie ist höchstwahrscheinlich durch Menschen aufgekommen, die ihre Eifersucht nicht unter Kontrolle hatten und ihre Frauen oder Nebenbuhler ermordet haben. Um das zu verhindern, waren strenge Gesetze notwendig, die bis heute für viele einen Wert darstellen.
Mitleid oder Nachsichtigkeit ist vermutlich als Gegenstück zu einer Gesellschaft entstanden, die aufgrund von Krieg und Tod nur noch Härte kannte. Soweit auch kein Problem. Nur misst man diesem Wert eine zu hohe Bedeutung bei, macht man Platz für undankbare Schmarotzer.

Unabhängig davon, ob man diesen Überlegungen nun zustimmt oder nicht, sind Werte und Moralvorstellungen aus bestimmten Gründen entstanden und können, wenn überhaupt, nur für bestimmte Menschen gelten. Wenn man sie also einfach so übernimmt und sie nicht selbst erdacht hat, haben sie schlichtweg keine Gültigkeit.


Daher ist es wichtig, sich seine eigenen Werte und seine eigene Moral zu erarbeiten, anstatt sich durch fremde Vorstellungen das Leben schwer zu machen. Und mit eigene, meine ich selbst erdachte, welche ich nicht einfach aus meiner Erziehung übernommen habe. Doch natürlich ist nicht jede eigene Überlegung gleich ein Erfolg und es gibt eine Menge Menschen, die sich mit ihren unreifen Gedanken völlig falsche Ziele setzen.

Ein Beispiel dafür wäre glücklich sein zu wollen oder zufrieden. Also wirklich dauerhaft glücklich, nicht wie bei einem Drogenrausch, sondern eher so etwas wie 90 Jahre lang ständig zufrieden vor sich hinzuleben, mit Höhen und kleinen Tiefen.
Aber weder Glück noch Zufriedenheit sind ein anstrebbares Ziel. Sondern wenn man ein Ziel erreicht hat oder einen Weg geht, um es zu erreichen, dann ist man glücklich. Doch Dinge nur zu tun, um glücklich zu sein, ist widersinnig, da es Ursache und Wirkung vertauscht. Wenn man traurig ist und sich aufheitern will, gibt es da beispielsweise eine seltsam anmutende Methode. Man kann sein Gesicht zu einem Lächeln verziehen und wenn man genug Muskeln angespannt hat, die man auch sonst zum Lächeln nutzen würde, werden automatisch Glückshormone freigesetzt. Man zwingt sich damit dazu, glücklich zu sein. An und für sich ist das eine nette Sache, die man durchaus anwenden kann, wenn man sich einmal aufheitern möchte. Aber es steht nichts Wirkliches hinter diesem Glück und daher kann es keine Dauerlösung sein. Das fällt einem spätestens auf, wenn man sich mit seinem erzwungenen Lächeln selbst im Spiegel betrachtet. Es ist ein trauriges Bild.
Menschen, die das Ziel haben glücklich zu sein, bauen sich meist eine eigene kleine heile Welt zusammen, in der ihr künstliches Lächeln fast natürlich wirkt. Aber die Welt ist ungerecht und die Menschen darin machen viele Fehler. Persönliche Zufriedenheit oder glücklich zu sein, verändern nichts daran. In ihrer Traumwelt, die sie sich erschaffen haben, fällt ihnen das natürlich nicht auf und sie können glücklich sterben. Aber deswegen haben sie noch lange kein richtiges oder wertvolles Leben gehabt.

Ähnlich ist das Klischee für das am liebsten Fernsehdarsteller in Filmen und Serien ihr Leben geben: die Liebe. Für einige ist es das Höchste, den Partner fürs Leben zu finden und mit ihm in inniger Liebe vereint vor sich hin zu leben. Mal abgesehen davon, dass Liebe ein sehr weitläufiger Begriff ist, wäre es ja durchaus möglich, dass dieser Traum in Erfüllung geht. Nur was hat man davon? Glück zu zweit, ohne Inhalt. Denn etwas Sinnvolles erreicht hat man noch lange nicht, nur weil man gemeinsam glücklich ist.

Anstatt nur ruhig vor sich hinzuleben, kann man auch mit vermeintlich großen Taten aus der Masse herausstechen. Hochleistungssportler, egal ob bei Olympia oder Weltmeisterschaften, wollen etwas Einzigartiges leisten und verbringen ihre ganze Zeit damit in einem Sport möglichst perfekt zu werden. Doch Sport dient eigentlich nur der körperlichen Ertüchtigung. Egal, ob als Möbelpacker oder Informatiker, mit Sport vermeidet man körperliche Probleme, die etwa durch einseitiges Sitzen oder einseitiges Tragen entstehen. Aber wenn ich keinem richtigen Beruf mehr nachgehe, sondern hauptberuflich Sportler bin, dann bringt das gar nichts mehr. Ich diene zwar den Menschen zur Unterhaltung, was ja durchaus wichtig ist, aber für ein unterhaltsames Spiel sollte man nicht Millionen kassieren, sein Leben aufgeben oder ernsthaft glauben, etwas Weltbewegendes zu leisten. Genauso wenig ergibt es Sinn, sich mit Drogen zu behandeln, um mehr Leistung zu erbringen. Wozu auch? In einem Spiel, in dem es darum geht, dass Menschen gegeneinander antreten, wird immer einer der Beste sein. Und dieser Konkurrenzkampf ist spannend zu beobachten. Dafür ist es aber nicht notwendig, unter allen Umständen Rekorde zu brechen und der Beste aller Zeiten zu werden.
Für den Sportler in diesem Beispiel geht es hauptsächlich um Anerkennung und Ruhm. Wenn einem andere sagen, dass das, was man tut, spitzenmäßig ist und sie einem zujubeln, wenn sie einen in höchsten Tönen loben, dann hat man keine Zweifel mehr daran, dass das, was man tut, absolut richtig sein muss. Aber diejenigen, die jubeln, wissen es doch selbst meist nicht besser oder sie jubeln eben, weil sie Spaß haben und es raus lassen wollen. Lob oder Zuspruch sind daher keine gültigen Indikatoren dafür, etwas richtig gemacht zu haben.
Das zählt nicht nur im Sport, sondern ebenso im Beruf und privat. Einige Menschen geben ihr ganzes Leben auf nur um Belohnungen in Form von Lob, Geld oder Beförderungen zu erhalten. Doch diese vermeintlichen Erfolge sind nur Einbildung und bauen auf Überzeugungen und Forderungen derjenigen, welche die Belohnungen geben. Nicht auf den eigenen. Aber sein Leben nur nach fremden Werten auszurichten ist unsinnig, da andere Menschen, ebenso wie die jubelnden Zuschauer, auch nicht viel nachgedacht haben.

Jedoch könnte man dann Menschen folgen, die nachgedacht haben, indem man sich einer der zahlreichen Interessengruppen anschließt, welche überzeugende Argumente für sich vorbringen können. Allerdings haben die meisten Menschen die Sachen in einem größeren Maßstab machen gute Gründe dafür. Es gibt gute Gründe immer schnellere Autos herzustellen oder immer leistungsstärkere Smartphones, es gibt gute Gründe Kriege zu führen und es gibt gute Gründe Menschen zu foltern. Diese können genauso überzeugend sein, wie die von Friedensbewegungen oder Ökoaktivisten. Daher bringt es nichts planlos irgendwelchen Werten oder Vorstellungen von bestehenden Organisationen hinterher zu hecheln, nur weil sie sich überzeugend anhören.


Insgesamt wird also eine Menge falsch gemacht. Kein Wunder, denn um auf ein richtiges Ergebnis zu kommen, braucht es reichlich eigene Überlegungen und viel investierte Zeit. Allerdings ist das alles andere als einfach und nach dem ersten längeren Nachdenken wird einem auffallen, dass auf jede Antwort wieder eine Frage gesetzt werden kann. Und irgendwann landet man in einer Sackgasse. Schafft man es diese zu überwinden ist das Ergebnis davon zunächst einmal überhaupt ein umfassendes Ziel zu haben, auf dem man weiter aufbauen kann. Dieses sollte sich nicht am Tod orientiert wie es im Christentum der Fall ist oder in anderen Religionen. Denn über den Tod lässt sich viel spekulieren, was dort sein könnte, wer ihn schon einmal erblicken konnte und ob überhaupt etwas auf das Leben folgt. Fest steht aber, dass Leben und Tod für die meisten Menschen so gut wie keine Überschneidungen haben, sondern klar getrennt sind. Daher wäre es unlogisch an ein besseres Leben im Tod zu glauben oder seine Aufmerksamkeit im Leben dem Tod zu widmen. Das Ziel was man gefunden hat muss sich am Leben orientieren. Und sollte man die Grundfragen gefunden haben, kann dieses Ziel sogar der Sinn im Leben sein. Also der übergeordnete Pol oder auch der oberste Wert, an dem sich alles andere orientiert. Dieser ist die Grundlage der eigenen Existenz, welche wertlos und sinnlos wird, wenn nicht alles Mögliche unternommen wird, um diesen bestmöglich umzusetzen.

Die weiteren Ziele und Werte, die sich daraus ergeben, können allerdings sehr individuell sein. Je nach Charakter und Körper hat man unterschiedliche Stärken und Schwächen und ganz nach seinen Erfahrungen auch unterschiedliche Prioritäten. Daher kann es gut sein, dass zwei Personen mit dem gleichen Sinn im Leben voneinander abweichende Ziele und Werte verfolgen, um diesen zu erreichen. Allerdings gibt es einen minimalen Konsens, der allen Menschen, welche den vorherigen Text "Der Sinn im Leben" als ihr höchstes Ziel verstehen, gemeinsam sein sollte:


Persönlichkeitsentwicklung, um seine Ängste zu überwinden und freier denken zu können.

Wille zur Veränderung der Welt, um eine Entwicklung voranzutreiben.

Toleranz, um andere Vorstellungen zu verstehen anstatt sie zu verachten.

Mäßigung, um keinem blinden Fanatismus zu verfallen.

Selberdenken, um alles zu erreichen.

Durch die Erfüllung dieser Kernpunkte kann sich ein neuer Zeitgeist bilden. Fernab von der seit 2000 Jahren vorherrschenden Mythologie und mündlichen Überlieferungen ethischer Normen.